Vom Feiern am Strand, dem italienischen Macho und den Frauen, die das gar nicht mal so schlimm finden

Nachdem ich nun von einer schönen Veranstaltung, einmaligen Gelegenheit und guten Mahlzeit nach der anderen gerannt bin, wende ich mich auch einmal einem negativen italienischen Stereotyp zu: Dem Macho.
 Ich warne vor, ich glaube behaupten zu können: So einen sexistischen Abend wie den hier erzählten habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Für meine Freundinnen war ich einfach nur ein bisschen zu prüde-deutsch.

Dass italienische Männer etwas anders ticken als die deutschen, war ja zu erwarten und das hat sich auch bewahrheitet. Auch wenn Modena natürlich wirklich sehr norditalienisch ist, hier ist alles ein bisschen ruhiger. Die meisten italienischen Stereotype in unseren Köpfen beziehen sich ja auf die dunklen, heißblütigen Süditaliener unter der fast schon afrikanischen Sonne im Hacken des Stiefels.
Aber trotzdem war schnell zu bemerken, dass Italiener – Frauen wie Männer – lieber flirten. Man lernt ständig und überall Leute kennen. Weil man angesprochen wird. Das passiert in Deutschland wesentlich weniger häufig und ich habe schon viele ausgewanderte Italiener darüber klagen gehört. Außerdem wird man hier noch auf richtige Dates ausgeführt, hui! Denn die italienische Frau ist fordernder. Emanzipation hin oder her, der Herr hat gefälligst mindestens die Getränke zu bezahlen. Lieber ein Abendessen. Im Kerzenschein. „Lass mal zu Hause DVDs gucken“ zieht hier nicht. 
Und wenn dir jemand abends in der Osteria ein Zettelchen mit seiner Nummer hinterlassen möchte, dann spickt er es noch mit ein paar Empfehlungen bezüglich des Essens. Na gut, damit schweife ich zu anderen Stereotypen ab.

Aber auf den tatsächlichen, nur aus Filmen und Erzählungen bekannten, italienischen Macho musste ich bis zum Sommer warten. Und zwar bis zum Tag, an dem ich zum Strand an die Riviera rund um Rimini eingeladen wurde.
Nachdem wir den ganzen Tag am vollgefüllten Strand voller Sonnenschirmchen gebraten hatten, ging es los zum Aperitivo in Marina di Ravenna. Dort reiht sich entlang des Strandes eine Bar und Diskothek an die andere. Jede mit ihrem spezifischen Ruf – am …… zum Beispiel gehen die Frauen sogar mit Stöckelschuhen im Sand tanzen. Erscheint mir unpraktisch. 
Wir – meine beiden italienischen Freundinnen und ich – haben uns also eine dieser Bars ausgesucht, uns dort eine Piadina (Link) bestellt und uns erst mal gemütlich gesetzt. Nur um direkt von einer Gruppe Männer mit 5-Liter-Bierkrug und viel viel Gel im Haar angesprochen zu werden. Na gut.
Ab dem Moment als die gesamte Diskothek schon ein paar Bier mehr intus hatte und wir das Tanzbein geschwungen hatte, reicht vielleicht auch eine plumpe Aufzählung von dem, was die Männer sich dort herausnehmen, zu tun. 
Manu wurde von einem Typen angetanzt – und dann auch irgendwann angesprochen -, sah sehr unzufrieden aus, aber wir haben sie dann trotzdem mit ihm allein gelassen. Auch als sie später eng umschlungen mit ihm getanzt hat, sah sie nicht besonders zufrieden aus. Aber sie hat sich dann irgendwann doch noch selbst überredet. Am Ende des Abends haben sie rumgemacht und Nummern ausgetauscht. 
Von Martinas Begegnungen hingegen kann ich einen Haufen aufzählen. Bereits als erstes lief ein Mann vorbei. Hielt kurz an. Fasste ihr an die Brüste. Lief weiter. Ich habe mich fürchterlich aufgeregt, Martina fand das auch gar nicht so gut, aber meinte, sie wolle keinen Streit anfangen. Manu fand, sowas passiere halt auf diesen Festen.
Dann folgt eine Geschichte nach der anderen nach Schema A: Männer, die sich tanzend annähern – dirty dancing natürlich, Männer, die erst ein bisschen nichtssagenden Smalltalk halten, in der Regel vor deinem Namen wissen wollen, ob du zu haben seist und dann zum dirty dancing übergehen, Männer, die ohne jegliche vorherige Interaktion im Vorbeigehen versuchen, dich zu küssen. Und den meisten Männern gegebenüber sind die Italienerinnen gar nicht so abgeneigt. Und dann gibt es noch die Männer, die beharrlich bleiben. Wahrscheinlich haben sie mit Smalltalk angefangen. Bei meinen Musterbeispielen war Martina schon in der Laune, mit Männern zu streiten. Also war es ein langes, neckisches Gespräch, das von Anfang an eine klare Abfuhr war. Irgendwann haben sich die beiden Männer in zu engen und geblümten Hemden und Gel im Haar auch verzogen. Nur um 30 Minuten später an anderer Stelle wieder aufzutauchen und nicht mehr zu gehen. Wenn man sich nur lang genug anbiedert, wird es schon funktionieren. Und das tut es tatsächlich. Denn die Italienerinnen sind diesem ganzen Balzgehabe ganz und gar nicht abgeneigt. Diese Diskotheken sind nicht nur Jagdrevier der Männer – die Frauen gehen dort hin eben um sich als „Beute“ zu präsentieren. Diese wirklich schmierigen Beiden durften dann auch tatsächlich noch Hintern an Unterleib mit meinen Freundinnen tanzen. Ich hätte mich nicht mal anfassen lassen wollen.
Diese Männer sind so sehr an diese Abläufe gewöhnt, dass selbst eine kalte deutsche Abfuhr nicht wirkt. Du schiebst dem langweiligen Smalltalk einen Riegel vor und sagst, du würdest jetzt eigentlich gern gehen wollen – und wirst nach deiner Telefonnummer gefragt, um sich eben irgendwann in Ruhe zu treffen. Du verneinst  – er versichert sich, dass er es doch aber wirklich höflich und nett mit dir probiert hätte. Das bestätigst du ihm, aber machst klar, dass du trotzdem ein Interesse hast, ihm deine Nummer zu hinterlassen. Er gibt sich – scheinbar – geschlagen und möchte sich verabschieden. Das funktioniert bekanntermaßen in Italien mit einem Küsschen links und einem Küsschen rechts neben die Wangen. Küsschen zwei ist dann wie versehentlich irgendwie auf meinem Hals gelandet und wollte da auch nicht mehr weggehen. Als würde Frau ihm sofort willig in die Arme fallen. Mehr als einmal an diesem Abend habe ich Männer tatsächlich wegstoßen müssen.
Auf dem Weg nach Hause waren sich übrigens alle beide meiner Freundinnen einig, dass diese gesammelte Männerschaft dort unmöglich und auch nicht besonders erstrebenswert war. Aber sie seien zu nett, um jeden sofort forsch wegzuschicken und glaubten in die Güte des Menschen. Die waren eben betrunken, normalerweise seien die sicher nicht so.

Ich habe in meinem Jahr in Italien eine große Menge Aktionen gegen häusliche Gewalt gesehen. Und ich bin absolut gegen alle „Sie ist selbst Schuld, wenn sie im Minirock rumläuft“-Vergewaltigungs-Rechtfertigungen.
Aber liebe Italienerinnen – Wenn ihr einem Mann erlaubt, euch anzufassen, wie es ihm gefällt, wenn der nicht einmal euren Namen kennt …. was wird er dann glauben, sich herausnehmen zu können, wenn ihr erst mal „seine“ Freundin seid?

Piadina – die Königin der Fladenbrote

Die Italiener sind stolz auf ihre Spezialitäten. Das habe ich euch ja schon erzählt, als ich euch Bilder von den Sagras gezeigt habe. Viele Produkte sind sogar regional geschützt und dürfen nur mit Lizenz und Produktion in der richtigen Gegend verkauft werden, wie etwa der Aceto Balsamico. Aber auch das Streetfood ist anders als in Deutschland voll von traditionellen regionalen Gerichten.
Wenn man in der Emilia-Romagna lebt, kommt man also um die Piadina romagnola nicht herum. Und wenn man in Modena lebt, kann man auch noch hervorragend den Wettkampf zwischen zwei Regionalgerichten beobachten. Denn wie der Name schon sagt, die Emilia-Romagna besteht aus zwei teilen, und die Piadina ist der Regionalstolz der Romagna. Modena und Bologna liegen direkt an der Grenze und obwohl in Bologna die Piadina klar gewonnen hat, findet man in Modena neben der Piadina auch die Tigelle – oder Crescentina Modenese, kein Wunder, dass die Modenesen ihr eigenes Produkt verteidigen!
Aber heute geht es um die Piadina, die Königin der Fladenbrote!

Übrigens: Die beste Piadina im Zentrum von Modena bekommt ihr bei „I love Piada“ zwischen Piazza Duomo und Piazza XX Settembre. Der Koch hat sogar ein kleines bisschen für mich gepost!

Im Prinzip handelt es sich um ein Fladenbrot, das mit Gemüse, Salat und Fleisch gefüllt wird. Klingt nach Döner? Gar nicht so falsch, auch seine Kebabs kann man sich hier statt in türkischem fluffigem Fladenbrot in einer Piadina bestellen.
Doch traditionell sind es eher die guten italienischen Wurstwaren, die reinkommen. Zusammen mit Rucola, Mozarella, in Modena natürlich mit Aceto Balsamico und Parmesan oder dem Weichkäse Stracchino (in der Romagna gibt es die traditionelle Piadina mit Squacquerone und Rucola. Aber meiner Meinung nach ist der Käse ja fast der gleiche.). Ach, und gefüllt mit Nutella kann man sie natürlich auch kaufen.

Man bekommt die Piadina quasi an jeder Ecke in der Piadineria, auf Festen, etc. Und zu allem Überfluss ist sie auch noch ziemlich einfach selbst herzustellen. Hier das Rezept für eine kleine Piadina:

3 Löffel Mehl
1 Löffel Olivenöl oder Schweinschmalz
1 Prise Salz
1 kleine Prise Backpulver (optional)
Wasser

Man verknetet Mehl, Fett, Salz und Backpulver. Dann gibt man sehr langsam in kleinen Schlückchen Wasser zu. Nur so lange, bis sich ein fester, geschmeidiger Teig bildet. Habt ihr zu viel Wasser genommen, gebt einfach wieder mehr Mehl dazu – aber nicht vergessen, ab einer gewissen Menge auch wieder etwas Fett dazu zu geben! Andernfalls schmeckt eure Piadina so wie meine erste – staubig und nach gar nicht mal so viel.
Den Teig rollt ihr zu einem recht dünnen Fladen aus.
Um die Piadina zu braten gibt es sogar spezielle randlose Pfannen, in der Piadineria werden sie auf großen beheizten Platten zubereitet. Zur Not tuts aber auch eine große Pfanne. In die kommt die Piadina –  ohne Fett! – und wird auf der einen Seite gebraten, bis sie unten etwas gebräunt ist und sich nicht mehr sehr durchbiegt, wenn ihr eine Seite anhebt. Dann wird gewendet und wieder einige Minuten gebraten.
Und dann wird nach Belieben befüllt! Ich persönlich stehe ja auf Piadina mit geräuchterem Schinken, Rucola, Mozarella und etwas Aceto Balsamico.
Mein Rat: Befüllt die Piadina noch in der Pfanne und klappt sie auch in der Pfanne zu. Der Teig wird beim Abkühlen wesentlich weniger elastisch und bricht sonst durch.

Hier in Bildern nochmal (fast) alle Schritte zu meiner ersten Piadina in einem gratis Workshop während des Food Immersion Festivals der kreativen Küche in Reggio Emilia:

Was man nicht alles so tut

… und wie schnell die Zeit vergeht!
Bisher habe ich euch fast nur von den großen Dingen, die hier passieren, erzählt. Deswegen heute eine Bildergalerie mit all den kleinen feinen Erlebnissen!
Bevor es dann wieder zwei großen Brocken gibt: Ich war auf der Kunstbienalle in Venedig und habe mich zum ersten Mal auch im Süden Italiens rumgetrieben. Ich beeile mich mit den Geschichten! 😉

Eine Reise durch die Welt auf der Biennale di Venezia

Wenn man schon in Italien – dem Land von Kunst, Architektur und alten wichtigen Dingen, die man mal gesehen haben sollte – und wenige Kilometer vom zentralen Verkehrsknotenpunkt dieses Landes – Bologna – sein Erasmus verbringt, dann sollte man das nutzen. Dazu habe ich mir zufällig auch noch das passende Jahr ausgesucht. Einem Ausflug ins 2 1/2 Stunden entfernte Venedig anlässlich der Biennale von Venedig stand nichts im Wege.
Vom weiteren und schwierigeren weg hatten sich 3 meiner Kommilitonen und Freundinnen aus Deutschland nicht abhalten lassen und so war mein Kurztrip nach Venedig gleich noch Anlass zu einem schönen Wiedersehen.
Übrigens – mein Ticket zur Biennale hat mir sogar noch einen Bonus in meinem Design- und Werbekurs in Reggio Emilia eingebracht. Denn um gute Werbung zu machen, muss man sich gut ansehen, was schon so da ist, meinte unser Prof. Find ich gut. Ich wäre aber auch so gegangen.

Die Kunstbiennale von Venedig ist vor allem eines: Groß!
Als Studierende unter 25 Jahren erhält man übrigens die Eintrittskarte (1x Arsenale und 1x Giardini) für schlappe 16€.
Den ersten Tag haben wir komplett in den Giardini mit den Pavillons der wichtigsten bzw. ersten Teilnehmerländern verbracht. Am zweiten Tag waren wir schon sehr geschlaucht von all den Ausstellungen, aber haben uns tapfer durch die größten Teile des Arsenals geschlagen. Chapeau an Nicole und Philippa, die danach noch etwas durch in der Stadt verstreuten Ausstellungen geschlendert sind. Ich habe mich dann lieber mit Alina auf die den Hauptinseln Venedigs gegenüber liegende Insel Giudecca zu einem Spaziergang zurückgezogen.
Ich kann euch gar nicht genau erzählen, was ich alles von welchen Künstlern gesehen habe, es war überwältigend viel. Sollte ich es beim nächsten mal zur Biennale nach Venedig schaffen, werde ich mir einen Schrittzähler mitnehmen. Das wäre die Statistik gewesen die mich wirklich interessiert – wie viele Kilometer läuft der Durchschnittsbesucher der Biennale von Venedig?
Aber für die eigentlich relevanten Eindrücke, schaut euch einfach ein paar der Bilder an, die ich dort gemacht habe:

REFF – Reggio Film Festival

Direkt in den ersten Uniwochen ging es auch schon los mit einem langen Wochenende voller Arbeit. Denn vom 02. – 07. Oktober fand das REGGIO (Kurz-)FILM FESTIVAL in Reggio Emilia statt. Geplant war das ja nicht, aber mein Erasmus und somit auch der Blog scheinen voller Filmfestivals zu stecken!

Und die Uni macht ein Blockseminar in Zusammenarbeit mit diesem Festival! Ich muss zugeben, richtig viel Uniwissen habe ich dabei nicht gesammelt, aber es hat Spaß gemacht und ein klein Wenig konnte man in die Festivalarbeit reinschnuppern – wenn das nichts ist!
Die Aufgabe des Seminars war, den facebook- und den twitterauftritt des Festivals während des Festivals mit allen News zu bestücken – Fotos der Mitwirkenden, der Vortragenden, der Zuschauer; Kurzrezensionen zu jedem Film veröffentlichen; auf den nächsten Programmpunkt hinweisen, etc.
Pointiert eine Rezension in wenigen Zeilen schreiben, ist ja so schon nicht leicht. Vor allem, wenn es sich um Kurzfilme handelt, die ja doch recht oft ein bisschen konfus sind. Aber ich sag euch, probiert das mal auf italienisch … eine richtig große Hilfe war ich bei diesem Punkt wohl leider nicht. Am Ende war ich die Festival-Event-Fotografin.
Da ist es auch schade, dass wir nur zwei Sitzungen hatten, bevor es direkt zum Festival ging. Der Prof hatte ganz kurz mal anklingen lassen, wie man an Kurzfilme herangeht, ein, zwei haben wir gemeinsam analysiert. Das hätte ich schon ein ganzes Semester über machen können. Leider findet sein Seminar „Mediensemiotik (früher mal Filmsemiotik) erst im Sommer statt. Und man schaut sich „Lola rennt“ an!…zumindest ist das vor ein paar Jahren mal passiert.

Zurück zum Festival: Das ganze Festival stand unter dem Thema RED. Klar, ein Großteil der Kurzfilme hatte also mit der Farbe Rot zu tun – es gab Kategorien wie „Eros-so“, „Weiß Schwarz und Rot“, „rote Weihnacht“, „Blutrot“, „Rot Splatter“.
Und dazu gab es noch den Fokus auf Filme aus Bosnien und Herzegovina und eine Veranstaltung zum Kurzfilmprojekt einer reggianischen Schule – das übrigens extrem gut war! Und diesen wunderhübschen Animationsfilm enthalten hat:

Fool’s Day von Cody Blue Snider

Besonders empfehlen kann ich meinen Festivalliebling FOOL’S DAY von Cody Blue Snider – nicht allein meiner, er hat beinahe alle Preise eingeheimst!

Was tun, wenn eine Schulklasse voller kleiner amerikanischer Stereotype einen Aprilstreich plant, er fürchterlich schiefgeht und die Polizei bereits auf dem Weg zum Tatort ist?
Der Film lief unter der Kategorie ROSSO SPLATTER. Passt. Aber auch einer der lustigsten Filme, die ich in einer ganzen Weile gesehen habe.

Unheimlich süß war übrigens auch ein schweizer Beitrag: THE KIOSK von Anete Melece – Vom Ausbrechen aus den Zwängen des Alltags. Und trotzdem irgendwie innerhalb der Comfort Zone bleiben wollen. Das wird hier für die dicke Kioskverkäuferin mal ganz wörtlich genommen.

Und zu guter Letzt noch ein paar Festivalimpressionen!

Lasst die Uni beginnen!

Schon bevor die Uni begonnen hat, standen wir vor einem kleinen Problem … die Uni beginnt am Montag. Und Mittwoch wird uns erklärt, wie das hier alles so funktioniert.
Aber im Endeffekt war es so, wie man es sich schon vorher hat denken können: Die gezeigten Uniplattformen hat man zwangsläufig schon vor einem Monat selbst gefunden, erklären tut man sie sich selbst, machen und wählen können wir, was wir wollen. Auch die Masterkurse. Puh. Denn von den Bachelorkursen, die ich im Vorfeld gewählt hatte, wird bloß einer angeboten. Alle anderen finden erst im Sommersemester statt (Na? Vielleicht muss ich mir überlegen, noch etwas da zu bleiben?).
Angeschaut haben wir uns erst mal alles, was einen mehr oder minder spannenden Titel hatte. Denn da hier bis auf einige Wahlpflichtoptionen im Master zu 100% festgelegt ist, welche Kurse zu machen sind und in welches Studienjahr sie gehören, braucht es auch kein Vorlesungsverzeichnis. Also malten wir uns einfach aus, dass sich hinter „Comunicazione narrativa“ etwas Spannendes verbergen würde und dass es Sinn machen würde, in greifbarer Nähe zu Umberto Eco auch einen Semiotik-Kurs zu belegen.
Im Endeffekt habe ich mich dann aber „bloß“ zu zwei(-einhalb) Kursen entschieden. „Bloß“ in Anführungszeichen, denn: Ein Kurs hat hier mindestens 6 Leistungspunkte und findet drei Mal die Woche statt. Und sind wie gesagt strikt einem Studienjahr zugeordnet. Will man als Austauschstudent also frei nach Laune und Interesse seine Kurse wählen, wie man das von der EMW gewöhnt ist, stößt man ganz schnell auf Terminprobleme.
Am Ende bin ich mit meiner Wahl aber sehr zufrieden!
Meine Kurse sind Kinogeschichte, ein Laboratorium zu Werbestrategie und -kreativität und ein Laboratorium anlässlich des Reggio Emilia Film Festivals!
Letzteres ist ein Kurs in „Libera Scelta“, quasi Ergänzungsstudium, und ein Blockseminar. Dazu mehr direkt im nächsten Blogeintrag!
Mit den Laboratorien bricht die Uni in Reggio Emilia ein wenig aus der italienischen Unikultur aus – denn mir wurde schon so häufig gesagt, dass Universität hier Frontalunterricht bedeutet. Im Lab kommt man wenigstens etwas dazu, selbst zu arbeiten.
Im Laboratorium für Werbestrategie und -kreativität ist das Ziel, tatsächlich Werbungen zu entwerfen. Yeeeah etwas Praxis! Es gibt es zwar auch Vorträge zu Designgrundlagen, goldenem Schnitt und Farbenlehre, aber unser Prof ist ein rechter Künstler (hier der Link zu seiner Webseite mit Foto, damit ihr euch eine Vorstellung machen könnt. Unter „Università“ könnt ihr euch übrigens alle unsere Unterrichtsmaterialien laden 😉 ) Will heißen … wir reden über Gott und die Welt, werfen die Kappen unserer USB Sticks aus dem Fenster, um uns von Vorgaben zu befreien und wie man mit Photoshop arbeitet, lernen wir nicht, denn bis das Studium fertig ist, gibts doch eh ein anderes Programm. Außerdem bekomme ich Bonuspunkte in der Klausur, weil ich zur Biennale in Venedig gefahren bin (dazu bald mehr auf diesem Blog!), denn das ist es, mit dem wir uns beschäftigen. Und allein schon die Atmosphäre Venedigs fördert meine Kreativität!
Besonders glücklich bin ich aber mit dem Kurs zu Kinogeschichte. Es geht um die Geschichte und die soziale und kulturelle Funktion amerikanischen Kinos. Zwar unheimlich schwierig, auf italienisch zu folgen. Vor allem, wenn englische Worte und Filmtitel fallen, die sind im italienischen Redefluss nämlich oft kaum zu identifizieren. Aber da habe ich für mein Erasmussemester tatsächlich einen Kurs gefunden, in dem man wirklich etwas lernen wird!
Auch wenn ich mir Citizen Kane auf italienisch ansehen musste…ich sage euch, probiert das nicht.

Kinosaal statt Sommer – 70. Mostra Internazionale d’Arte Cinematografica

Trotz der etwas gewöhnungsbedürftigen Situation Italiens im August hat es sich definitiv gelohnt, spätestens Anfang September anzukommen! Schon im August war noch Einiges los in Italien, doch das muss wohl erst mal hinter diesem Erlebnis zurücktreten:

Denn von Modena aus kann man prima einen Abstecher in das etwa 2 1/2 Stunden entfernte Venedig machen und mit den internationalen Filmfestspielen von Venedig eins der wichtigsten internationalen Filmfestivals besuchen. Aber Venedig ist teuer und obwohl sich mein Besuch bereits auf nur drei Tage beschränkte, hatte ich mich darauf eingestellt, höchstens 2-3 Filme am Morgen (da sind sie in einigen Sälen billiger) anzuschauen. Weil ich am Mittwoch mittag noch im Sprachenzentrum in Modena sagen lassen musste, dass ich umsonst vorbeigeschaut habe und den Intensivkurs in Italienisch bei meinem Sprachlevel nicht mehr zu machen brauche / nicht machen darf, bin ich später als geplant in Venedig angekommen. Dann quer durch die Stadt zum Hostel, von da zur proppenvollen Piazza San Marco, auf der Suche nach dem Ticketschalter des Filmfestivals, der irgendwo dort sein sollte, alles schon ganz schön spät … kurz vor Kassenschluss hab ich ihn dann doch noch in einer Nebengasse gefunden! Ich hatte schon fast befürchtet, dass mein erster Festivaltag dank ausverkaufter Screenings ins Wasser fällt, doch es war noch Einiges zu haben! Nach den Kriterien Titel und Sprache habe ich dann zur Sicherheit ein Ticket für den nächsten Tag gekauft – für den marokkanischen Film Traitors“.
„Zur Sicherheit“ schreibe ich deswegen: Direkt am Lido, wo das Festival stattfindet, werden täglich Gratistickets ausgegeben!
Nicht für die großen Screenings mit rotem Teppich und Klimbim, aber wenn man ein Ticket ergattert, kann man die selben Filme etwas später in kleineren Sälen sehen. Mein Tag – und mein Geldbeutel – war gerettet!

Ein bisschen durch Venedig schlendern wollte ich aber schon auch und so bin ich am Die ersten Kinokarten sind ergattert!Donnerstag erst gegen 13.30 Uhr am Lido angekommen. Dort haben wir für Prasheen, der mich von Hostel aus begleitet hat, noch ein Ticket für Traitors ergattert und nach den Gratistickets gefragt. Da wurde uns gesagt, dass die Coupons ab 8.30 Uhr ausgegeben werden..uff. Aber gegen 14 Uhr öffnet er mit einem neuen Schwung an Coupons wieder, wir waren genau zur richtigen Zeit angekommen! Trotzdem hatte ich die Befürchtung, dass wir nicht mehr viel Auswahl haben würden. Aber auf meine Frage, was noch zu haben sei, bekam ich die Antwort „Naja, was hättest du gern?“ – laut Prasheen  müssen meine Augen wohl ziemlich angefangen haben, zu leuchten. Wir haben uns also noch Tickets für einen thailändischen Film namens „Mary is happy, Mary is happy“ gesichert.

Und dann ging es auch schon bald los in den ersten temporären Kinosaal für „Traitors“, einen amerikanisch-marokkanischen Film des Regisseurs Sean Gullette. Da hatte ich wirklich einen Glücksgriff getan, ein toller Auftakt!

Filmstill aus „Traitors“ (http://www.venice-days.com/film.asp?id=9&id_dettaglio=231&lang=)

Ich wusste absolut nicht, was mich erwartete, eventuell Nahostkonflikt? Stattdessen bekam ich einen Film über Jugend und Frausein in Marokko und über den Sog des marokkanischen Drogengeschäfts. Ersteres war mir schon seit meinem Marokkourlaub Anfang letzten Jahres im Kopf hängen geblieben – dieser krasse Clash zwischen Modernität und (ultrakonservativer) Tradition. Zwar brettert die dicke Mutti im rosa Traditionsgewand auf einem Moped durch die schmalen Gassen der Altstadt, aber allein Frauen in Jeans und T-Shirt habe ich bloß in Form zweier Urlauberinnen aus Casablanca kennen gelernt. Damit fällt man auf, schon wenn man einen langen Rock trägt, wird man wesentlich weniger häufig angequatscht.
Da kann man sich vorstellen, dass die Hauptfigur Malika zu kämpfen hat – sie trägt Jeans und Hoodie, ist Frontfrau einer Punkband und will raus aus Marokko. Dafür müssen Plattenvertrag und Tour her. Und dafür braucht man Geld. Und so lässt sie sich zu einer Drogen-Kurierfahrt überreden. In die Berge, zurück nach Tangier, keine Probleme, denn sie ist aus gutem Hause und kein Polizist würde sie anhalten. Aber natürlich kommt alles anders. Auf dem Rückweg beschließt Malika, alles aufs Spiel zu setzen und ihrer schwangeren Begleiterin Amal die Flucht vor den Drogenbossen in ein besseres Leben zu ermöglichen – das kommt ein bisschen plötzlich, aber der Film wird ab da tatsächlich ziemlich spannend.
Und dank des spannenden Themas, der tollen Hauptfigur und der schön geschossenen Bilder ist es dann auch zu verkraften, dass sich alles tuttifrutti in einem Happy End auflöst – Amal landet beim Arzt in Frankreich, der Drogenboss lässt Malika unbescholten abziehen und übt lieber Rache an seinem Partner, als er von ihr erfährt, dass dieser seine Freundin hat aus dem Weg räumen lassen – und die riesige Plastiktüte voller Geld bekommt Malika trotz des verpatzten Deals, so dass sie Mama die Miete sichern UND auf Tour gehen kann. Ziemlich unwahrscheinlich, aber trotzdem schön.

Mit dem Film „Mary is Happy, Mary is Happy“ des thailändischen Reggiseurs Nawapol Thamrongrattanarit (krasser Name, habe gerade mehrmals gecheckt, ob ich ihn richtig abgeschrieben habe), hatten wir meine Meinung nach leider wesentlich weniger Glück … wir hätten wohl nach der Hälfte mal gehen sollen, verpasst hätten wir nicht viel. Ich habe zwar auch begeisterte Rezensionen im Internet gefunden, aber für mich gehört der Film eindeutig in die Kategorie „Interessante Machart – aber Spaß macht das nicht“. Und damit bin ich leider gar nicht gut. Ich finde, auch Kunst muss Spaß machen. Oder aber fesseln, Spaß ist da vielleicht nicht immer das richtige Wort.
„Mary is Happy, Mary is Happy“ hat leider keins von beidem getan. Dabei handelt es sich um verfilmte Tweets einer thailändischen Schülerin kurz vor dem Abschluss – Tweets, zerstückelte Kurznachrichten, zu einem narrativen Film zu transformieren, ist tatsächlich eine interessante Idee, finde ich. Dementsprechend tut der Film viele assoziative Sprünge. Und er erzählt vornehmlich von den Dingen, die der jungen Frau tagtäglich durch den Kopf gehen: Zukunftsängste, der Junge von nebenan, künstlerische Ambitionen. Leider hatte die gute Mary nicht so viel Spannendes zu twittern, ein Beispiel wäre „Habe mein Mittagessen 2 Wochen lang in der Brotdose vergessen“. Gleichzeitig entgleitet ihr die Realität.
Heraus kommt ein äußerst skuriller über zweistündiger Film. Fazit: Immerhin klingt thailändische Schulmädchensprache lustig!

Trotz der Quasi-Schlappe mit der Freikarte war ich aber für den nächsten Tag optimistisch! Diesmal bin ich allein zum Lido rausgefahren – außer mir wollte niemand um 7 Uhr aufstehen, um spätestens bei Beginn der Ticketausgabe um 8.30 Uhr am Schalter zu stehen. Und trotzdem stand ich erst mal über eine Stunde in der Schlange, uff! Die Schlange morgens gegen 8.45 Uhr ...
Als ich schließlich an der Reihe war, war aber zum Glück bloß ein Film nicht mehr zu haben: Das schon zuvor äußerst kontrovers diskutierte südkoreanische Inzest-Drama „Moebius“. Die halbe Schlange schien nur für diesen Film gekommen zu sein, hatte sogar schon ein paar Mal an den Tagen zuvor dafür angestanden, aber herausgegeben wurden bloß 5 Karten. Für mittags wurden weitere Karten versprochen und es hat sich dann auch tatsächlich bei der zweiten Ausgaberunde eine eigene Moebius-Schlange gebildet. Ich hatte Zeit und hatte mir den 4. Platz darin ergattert … bloß Karten gab es keine. Naja, das wäre ein Erlebnis gewesen, aber ich bin nicht die Einzige, die ohne Moebius auskommen musste. Selbst zahlreiche bezahlte Blogschreiber und Akkreditierte mussten darauf verzichten.
Beschäftigt habe ich mich trotzdem ganz gut, ich hatte Karten für vier Programmblöcke.

Angefangen hat mein Filmtag mit 7 Kurzfilmen. Von diesen möchte ich auf zwei etwas näher eingehen.
„Kush“ein indischer 20-Minüter von Shubhashish Bhutiani, basiert auf einer wahren Geschichte um den Tag der Ermordung der inidschen Premierministerin Indira Ghandi 1984 und den darauffolgenden Massakern an Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft der Sikh. Der Film erzählt von einer Schulklasse, die an genau diesem Tag auf der Rückreise von einem Ausflug ist – und den kleinen Sikh Kush an Bord hat.
„Kush“ schafft es tatsächlich, einen innerhalb von 20 Minuten in eine Situation zu ziehen, von der und dessen Land ich abgesehen von der Lektüre von Salman Rushdies „Mitternachtskinder“ keinen blassen Schimmer hatte. Der Reisebus funktioniert als (Kinder-)Mikrokosmos so, wie wohl die Situation im ganzen Land sein musste. Die Lehrerin versucht, Kush zu verstecken. Der Fahrer möchte den Jungen irgendwo in ein Taxi setzen und nichts mit der Sache zu tun haben. Ein Kind gibt Kush die Schuld an der Gefahr, in der plötzlich alle schweben, während die anderen Kinder sich von der Situation anfangs kaum stören lassen, sie kaum zu bemerken scheinen. Und Kush, der seinen Turban wegwirft und sein langes Haar – Zeichen seiner Religionszugehörigkeit –  mit der Bastelschere abschneidet. Er schafft es unbeschadet nach Hause, doch der Film endet mit dem Bild, wie Kush dort seine toten Eltern auffindet und mit einem Dank an all Jene wie die Lehrerin, die während dieser Zeit Zivilcourage gezeigt haben.
Es ist schade, dass nach einem kurzen Applaus schon zum nächsten Film übergeblendet wurde. Danach hätte man etwas Zeit gebraucht, sogar jetzt, wo ich darüber schreibe.Der zweite Kurzfilm „Aningaaq“ von Jonás Cuarón war da erquicklicher. Der Inuit Aningaaq erhält mitten in der Eislandschaft Grönlands einen amerikanischen Notruf – aus dem All. Doch die Astronautin Ryan Stone kann sich auf grönländisch leider nicht verständlich machen und so führen sie ein Gespräch über das Leben und das Sterben auf zwei verschiedenen Sprachen. Vielleicht hat schon jemand von euch sich über „Gravity“ informiert, den neuen Scifi Film mit Sandra Bullock und George Clooney, der die Filmfestspiele von Venedig dieses Jahr eröffnet hat. Sandra Bullock spielt Ryan Stone. Dass da eine Verbindung sein könnte, ist mir aufgefallen, als Sandra Bullocks Name in den Credits von „Aningaaq“ stand – und tatsächlich scheint sich die gleiche Szene aus der Sicht Ryan Stones auch in „Gravity“ abzuspielen. Da bin ich gespannt auf den Kinobesuch!

Nach kurzer Pipi- und Kafeepause kam dann schon „Pinge Ridge“ von Ana Eborn. Und ich muss leider zugeben, dass ich zu müde war, um mir den Film in angemessener Weise anzuschauen (ja, okay .. ich bin ein paar mal eingenickt). „Pine Ridge“ ist eine zurückhaltende, rein beobachtende Dokumentation über das Leben junger Leute im Indianerreservat Pine Ridge. Ana Eborn begleitet sie in ihren alltäglichen Situationen, nur selten melden sich die Protagonisten selbst im Off-Text zu Wort und erzählen ihre Geschichte. So ist der Film sehr offen für sie, aber auch sehr episodenhaft – nicht die beste Voraussetzung, wenn man seit 6.30 Uhr auf den Beinen ist, leider.
Im Publikum waren auch die Regisseurin selbst und einer der jugen Protagonisten. Der Film setzt ein mit den Worten „Wir wohnen nicht mehr in Zelten und schießen mit Pfeil und Bogen.“ und erzählt dem Publikum von den völlig alltäglichen Problemen und Zukunftsträumen junger Menschen. Alle freuen sich tierisch, dass einer dieser jungen „Indianer“ im Saal ist und knipsen nach der Vorstellung direkt los. Frei nach der Ansicht „Guck mal, wie toll, der Indianer hat es bis auf die Leinwand geschafft! Das muss fotografisch festgehalten werden!“. Latenter Rassismus, ahoi! So hat sich die Regisseurin das wahrscheinlich nicht gedacht … ich jedenfalls fand das ziemlich unangenehm und bin schnell abgezogen.

Danach kam die letzte Vorstellung – aber eine Doppelvorstellung zum Preis von einem, yeah! Ich hatte mich kurzfristig dann doch entschlossen, noch eine Karte zu kaufen. Andernfalls hätte ich noch 4 Stunden auf dem Lido totschlagen müssen… wahrscheinlich hätte ich das mit schlafen getan und dann wäre der Film so wie so ins Wasser gefallen.
Zuerst wurde „Es-sthouh (Les terasses)“ des algerischen Regisseurs Merzak Allouache gezeigt. Der Film erzählt einen Tag aus dem Leben verschiedenster Menschen, das sich auf den Dachterassen Algiers abspielt. Allouache zeigt seine Heimat dabei nicht von der besten Seite. Jede Episode dreht sich um Gewalt, Ungerechtigkeit und Verbrechen – selbst jene, die ein Happy End zu haben scheinen.

As the Arab world is rocked by a series of crises without precedent, Algeria seems to be, paradoxically, serene, turned onto itself, almost indifferent. It cherishes its new peace after a decade of bloody terrorism.
However the reality is quite different. (…) The chaos we see in the streets of Algiers has reached its rooftops, previously places of tranquillity where neighbours met and gazed at the bay, the hills, the sea and which have become a living space, of violence, of death.
(Merzak Allouache)

Zeigte „Traitors“ die Utopie einer Jugend, die sich gegen das Chaos und die Probleme des nicht weit entfernten Marokko wehrt, bleibt „Es-stouh“ pessimistisch und widmet seine Aufmerksamkeit der Brutalität verschiedener Lebenssituationen.
Eine junge moderne Frau erlebt von ihrer Terasse aus die häusliche Gewalt ihrer Nachbarn – während ihre männlichen Bandkollegen sich raushalten. Gegen den Ehemann könne man doch eh nicht vorgehen – und muss mit ansehen, wie ihre Nachbarin sich schließlich radikal ihres Gefängnisses entledigt.
Eine illegal über den Dächern Algiers hausende Familie soll verscheucht werden – und sieht keinen anderen Ausweg, als den Hausbesitzer zu töten.
Ein Fernsehteam sucht sich das falsche Dach zum Filmen aus. Dort foltert gerade ein Bruder den anderen für eine Unterschrift zu Tode.
Auf einem anderen Dach wird der psychisch Kranke Onkel in einem Verschlag in Ketten gehalten.
Doch enden tut der Film trotzdem mit dem Sieg über den Säufer, der „seine“ Terasse an zwielichtige Gestalten vermietet. Über den Dächern Algiers kann man auch eine Hochzeit feiern.
Das ist vielleicht als eine Art Entschuldigung Allouaches zu sehen, dass er ansonsten kein gutes Haar an seiner Heimat lässt, und so hinterlässt der Film einen letztendlich doch nicht ganz deprimieren. Abgesehen davon, dass die Aussicht über die Terassen wunderschön ist!
Hier gehts zum Trailer.

Danach kam mit „Che strano chiamarsi Federico. Scola racconta Fellini“ ein Film, der meines Erachtens perfekt ist, um ein Filmfestival in Italien zu beenden: Eine Hommage an Federico Fellini, gedreht und basierend auf den Erinnerungen seines Jugendfreundes Ettore Scola. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass sein Name mir vorher kein Begriff war. Er scheint aber ein wichtiger Akteur im italienischen Kino seit den Zeiten des Neorealismus zu sein. Werde ich nachholen!
Der Film erzählt locker-leicht von den Anfängen des großen Filmemachers Federico Fellini in der Redaktion des Satiremagazins Marc’Aurelio und von seinem Weg zum Film. Der Film spielt optisch mit verschiedenen Erzählzeiten in schwarz-weiß und farbig und immer wieder schaltet sich ein Erzähler ein, der es sich irgendwo in der Szene gemütlich macht, ohne den Fluss der Geschichte mit seiner Rede zu stören. Aber irgendwie ist er doch anwesend – die Bedienung fordert ihn auf, er möge doch bitte seinen Kaffee zahlen. Aber „tutto bene. Der Erzähler muss nicht bezahlen.“
Mit diesem leichten Ton und zahlreichen kurzen Szenen aus den Filmen Fellinis macht der Film einfach Spaß. Und er endet mit der Unsterblichkeit des Künstlers: Fellini stiehlt sich von dem Trauerfest zu seinen Ehren, seine Totenwächter in Ehrenuniform drängeln sich durchs Publikum, um ihn wieder einzufangen und eine Verfolgungsjagd durch die Filmstudios beginnt. Da hätte der Film enden sollen, leider lässt er sich eine Menge Zeit, am Ende etwas „auszulaufen“.
„Che strano chiamarsi Federico“ werde ich auf jeden Fall hier im Kino nochmal aufmerksamer anschauen! (es war schon Mitternacht. Wie gesagt .. aufgestanden war ich um 6.30 Uhr..) Auf jeden Fall ein Tipp für alle Liebhaber alter Filme und einer herzlichen Hommage an das Kino!
Und dank Youtube lässt sich der Trailer hier diesmal direkt einfügen. Untertitel gibts bisher leider auch nur in italienisch:

Das war mein Filmfestival von Venedig. Allerdings habe ich festgestellt, dass man sogar während man auf den Beginn seiner Screenings wartet, was lernen kann!
Zuerst: Direkt gegenüber der Ticket Boxes liegt der Strand. Statt sich also in einer der Bars in „Movie Village“ (der Park neben den Kinosälen. Aber für diese Zeit war dieser Teil des Lido tatsächlich ein bisschen wie ein aus dem Boden gestampftes Dorf) teure Snacks und Getränke zu gönnen, kann man hervorragend in den 5 Busminuten entfernten Supermarkt fahren, sich dort sein Mittagessen kaufen und es gemütlich am Strand bratend verspeisen. Und im Wasser dümpeln. Und – jetzt kommt die Stelle, an der ich was gelernt habe – sich von alten Herren erklären lassen, wie man selbst am Touristenstrand mit bloß einer Plastikflasche sein Abendessen sammeln kann. Diese mittelgroßen, grauen Muscheln kennen wir alle vom Muschelsammeln am Strand. So ganz beliebt sind sie dabei ja nicht, so grau und unscheinbar, aber durch bloße Masse am schnellsten zu finden. Da liegt doch nahe, dass auch die lebendigen Exemplare der Vongola, oder Venusmuschel, sich irgendwo in der Nähe tummeln müssen!Muschelsammler!
Man muss einfach etwas genauer hinschauen, dann sieht man Venusmuscheln, die halb im Sand vergraben sind, meistens mit der schmalen Seite nach oben. Achtung, wenn eine geschlossene Muschel auf dem Sand aufliegt, dann ist sie bereits tot! Ob das ungesund ist, habe ich nicht herausgefunden, aber lecker sicherlich nicht. Tatsächlich habe sogar ich innerhalb von 10 Minuten 3 Exemplare gefunden. Okay, damit unterlaufe ich den Schnitt der italienischen Opis radikal, aber immerhin!
Die gefundenen Muscheln lagert man in seiner Plastikflasche, bedeckt mit Meerwasser. Dort lässt man sie für mindestens 4 Stunden, um den Sand auszufiltern. Danach müssen sie tatsächlich nur noch gekocht werden, bis sie sich öffnen.
Und mit einem Nachmittag am Strand hat man sich sein Abendessen beschafft! – In der Theorie. Vermutlich hätte ich einen Sonnenstich, ehe meine Flasche gefüllt ist …

Wegen Urlaub geschlossen

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Anfang August. Modena. Der Schlüssel für die Wohnung ist abgeholt und das gröbste Gepäck abgeladen, das ist doch schon mal was. Aber erst mal ist noch Urlaubszeit angesagt, immerhin scheint die Sonne bei etwa 35°. Und ein bisschen stolz sind wir dann auch schon, als wir merken, dass die meisten unserer Ferienaktivitäten zu großen Teilen von Italienern besucht sind.

Zurück in Modena zwei Wochen später weiß ich auch, warum. Der Blog macht seinem Namen gleich zu Beginn alle Ehre – die spinnen, die Römer!
Beim Strandurlaub ist man in Italien im August sicher nie allein, immerhin hat man das ganze Land als Gesellschaft. Das Gerücht kennt man ja.
Was das tatsächlich heißt, durfte ich erst jetzt erfahren – Italien ist wegen Urlaub geschlossen.
„Ferragosto“, der 15. August, ist quasi nationaler Ferientag. Aber der weitet sich durchaus gern mal auf den ganzen August aus. Die meisten Geschäfte inklusive Museen und Dom schließen, die Straßen sind spärlich bevölkert von etwas verunsichert schlendernden Touristen und ein paar Zurückgebliebenen, ältere Herrschaften sowie diejenigen, die ihre Ferien im Café jobbend zubringen müssen (das reguläre Personal schien mir im Urlaub zu sein).

Also heißt es für mich – ein paar Klamotten waschen, das Einleben in Modena aufschieben und es den Italienern gleichtun: Noch etwas in den Urlaub fahren!
Davon gibt es schon einiges zu erzählen, beim nächsten Mal. So lange gibt es hier eine kleine Auswahl der  Ferragosto-Schaufenster Modenas!