Vom Feiern am Strand, dem italienischen Macho und den Frauen, die das gar nicht mal so schlimm finden

Nachdem ich nun von einer schönen Veranstaltung, einmaligen Gelegenheit und guten Mahlzeit nach der anderen gerannt bin, wende ich mich auch einmal einem negativen italienischen Stereotyp zu: Dem Macho.
 Ich warne vor, ich glaube behaupten zu können: So einen sexistischen Abend wie den hier erzählten habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Für meine Freundinnen war ich einfach nur ein bisschen zu prüde-deutsch.

Dass italienische Männer etwas anders ticken als die deutschen, war ja zu erwarten und das hat sich auch bewahrheitet. Auch wenn Modena natürlich wirklich sehr norditalienisch ist, hier ist alles ein bisschen ruhiger. Die meisten italienischen Stereotype in unseren Köpfen beziehen sich ja auf die dunklen, heißblütigen Süditaliener unter der fast schon afrikanischen Sonne im Hacken des Stiefels.
Aber trotzdem war schnell zu bemerken, dass Italiener – Frauen wie Männer – lieber flirten. Man lernt ständig und überall Leute kennen. Weil man angesprochen wird. Das passiert in Deutschland wesentlich weniger häufig und ich habe schon viele ausgewanderte Italiener darüber klagen gehört. Außerdem wird man hier noch auf richtige Dates ausgeführt, hui! Denn die italienische Frau ist fordernder. Emanzipation hin oder her, der Herr hat gefälligst mindestens die Getränke zu bezahlen. Lieber ein Abendessen. Im Kerzenschein. „Lass mal zu Hause DVDs gucken“ zieht hier nicht. 
Und wenn dir jemand abends in der Osteria ein Zettelchen mit seiner Nummer hinterlassen möchte, dann spickt er es noch mit ein paar Empfehlungen bezüglich des Essens. Na gut, damit schweife ich zu anderen Stereotypen ab.

Aber auf den tatsächlichen, nur aus Filmen und Erzählungen bekannten, italienischen Macho musste ich bis zum Sommer warten. Und zwar bis zum Tag, an dem ich zum Strand an die Riviera rund um Rimini eingeladen wurde.
Nachdem wir den ganzen Tag am vollgefüllten Strand voller Sonnenschirmchen gebraten hatten, ging es los zum Aperitivo in Marina di Ravenna. Dort reiht sich entlang des Strandes eine Bar und Diskothek an die andere. Jede mit ihrem spezifischen Ruf – am …… zum Beispiel gehen die Frauen sogar mit Stöckelschuhen im Sand tanzen. Erscheint mir unpraktisch. 
Wir – meine beiden italienischen Freundinnen und ich – haben uns also eine dieser Bars ausgesucht, uns dort eine Piadina (Link) bestellt und uns erst mal gemütlich gesetzt. Nur um direkt von einer Gruppe Männer mit 5-Liter-Bierkrug und viel viel Gel im Haar angesprochen zu werden. Na gut.
Ab dem Moment als die gesamte Diskothek schon ein paar Bier mehr intus hatte und wir das Tanzbein geschwungen hatte, reicht vielleicht auch eine plumpe Aufzählung von dem, was die Männer sich dort herausnehmen, zu tun. 
Manu wurde von einem Typen angetanzt – und dann auch irgendwann angesprochen -, sah sehr unzufrieden aus, aber wir haben sie dann trotzdem mit ihm allein gelassen. Auch als sie später eng umschlungen mit ihm getanzt hat, sah sie nicht besonders zufrieden aus. Aber sie hat sich dann irgendwann doch noch selbst überredet. Am Ende des Abends haben sie rumgemacht und Nummern ausgetauscht. 
Von Martinas Begegnungen hingegen kann ich einen Haufen aufzählen. Bereits als erstes lief ein Mann vorbei. Hielt kurz an. Fasste ihr an die Brüste. Lief weiter. Ich habe mich fürchterlich aufgeregt, Martina fand das auch gar nicht so gut, aber meinte, sie wolle keinen Streit anfangen. Manu fand, sowas passiere halt auf diesen Festen.
Dann folgt eine Geschichte nach der anderen nach Schema A: Männer, die sich tanzend annähern – dirty dancing natürlich, Männer, die erst ein bisschen nichtssagenden Smalltalk halten, in der Regel vor deinem Namen wissen wollen, ob du zu haben seist und dann zum dirty dancing übergehen, Männer, die ohne jegliche vorherige Interaktion im Vorbeigehen versuchen, dich zu küssen. Und den meisten Männern gegebenüber sind die Italienerinnen gar nicht so abgeneigt. Und dann gibt es noch die Männer, die beharrlich bleiben. Wahrscheinlich haben sie mit Smalltalk angefangen. Bei meinen Musterbeispielen war Martina schon in der Laune, mit Männern zu streiten. Also war es ein langes, neckisches Gespräch, das von Anfang an eine klare Abfuhr war. Irgendwann haben sich die beiden Männer in zu engen und geblümten Hemden und Gel im Haar auch verzogen. Nur um 30 Minuten später an anderer Stelle wieder aufzutauchen und nicht mehr zu gehen. Wenn man sich nur lang genug anbiedert, wird es schon funktionieren. Und das tut es tatsächlich. Denn die Italienerinnen sind diesem ganzen Balzgehabe ganz und gar nicht abgeneigt. Diese Diskotheken sind nicht nur Jagdrevier der Männer – die Frauen gehen dort hin eben um sich als „Beute“ zu präsentieren. Diese wirklich schmierigen Beiden durften dann auch tatsächlich noch Hintern an Unterleib mit meinen Freundinnen tanzen. Ich hätte mich nicht mal anfassen lassen wollen.
Diese Männer sind so sehr an diese Abläufe gewöhnt, dass selbst eine kalte deutsche Abfuhr nicht wirkt. Du schiebst dem langweiligen Smalltalk einen Riegel vor und sagst, du würdest jetzt eigentlich gern gehen wollen – und wirst nach deiner Telefonnummer gefragt, um sich eben irgendwann in Ruhe zu treffen. Du verneinst  – er versichert sich, dass er es doch aber wirklich höflich und nett mit dir probiert hätte. Das bestätigst du ihm, aber machst klar, dass du trotzdem ein Interesse hast, ihm deine Nummer zu hinterlassen. Er gibt sich – scheinbar – geschlagen und möchte sich verabschieden. Das funktioniert bekanntermaßen in Italien mit einem Küsschen links und einem Küsschen rechts neben die Wangen. Küsschen zwei ist dann wie versehentlich irgendwie auf meinem Hals gelandet und wollte da auch nicht mehr weggehen. Als würde Frau ihm sofort willig in die Arme fallen. Mehr als einmal an diesem Abend habe ich Männer tatsächlich wegstoßen müssen.
Auf dem Weg nach Hause waren sich übrigens alle beide meiner Freundinnen einig, dass diese gesammelte Männerschaft dort unmöglich und auch nicht besonders erstrebenswert war. Aber sie seien zu nett, um jeden sofort forsch wegzuschicken und glaubten in die Güte des Menschen. Die waren eben betrunken, normalerweise seien die sicher nicht so.

Ich habe in meinem Jahr in Italien eine große Menge Aktionen gegen häusliche Gewalt gesehen. Und ich bin absolut gegen alle „Sie ist selbst Schuld, wenn sie im Minirock rumläuft“-Vergewaltigungs-Rechtfertigungen.
Aber liebe Italienerinnen – Wenn ihr einem Mann erlaubt, euch anzufassen, wie es ihm gefällt, wenn der nicht einmal euren Namen kennt …. was wird er dann glauben, sich herausnehmen zu können, wenn ihr erst mal „seine“ Freundin seid?

Hinterlasse einen Kommentar